Hintergrund – die Dunkeladaptation des Auges

Wie extrem ist das? Ein Sonnentag ist 100 Millionen-mal heller als eine Neumondnacht und überall können wir uns orientieren. Das menschliche Auge kann extrem unterschiedlich Licht verarbeiten – das ist faszinierend.

Warum hilft es, das zu wissen? Es kann großen Spaß machen, mal bei Nacht auf dem Feld zu laufen und sich dem Abenteuer auszusetzen, nur minimale Kontraste sehen zu können und trotzdem den Weg zu finden. Das geht nämlich – wenn man weiss, wie, und genug Geduld hat. Auf die Art kann man außerdem noch mehr Sterne sehen.

Die Anpassungsfähigkeit des Auges macht es möglich…

Faustregel: die erste Anpassung an die Dunkelheit erfolgt innerhalb von Sekunden, die zweite innerhalb der ersten Minute, die dritte innerhalb von 10 Minuten und nach 20-30 Minuten ist man wunderbar dunkeladaptiert.

Deshalb dauert unser Hörerlebnis auch etwa eine halbe Stunde.

Während wir die biochemischen Vorgänge des Auges erklären, findet der Prozess tatsächlich statt. Wenn man dabei die ganze Zeit nach oben schaut und nicht in eine künstliche Lichtquelle blickt, ist man am Ende exzellent dunkeladaptiert und kann die Sterne in voller Pracht genießen.  

Was passiert genau im Auge?

Je nach der Umgebung verändert das Auge die Art, wie es Licht verarbeitet. Im Fachterminus heißt das dann skotopisches, mesopisches und photopisches Sehen. Zusätzlich hilft die Öffnung der Pupille, die Menge an Licht zu begrenzen oder möglichst viel Licht aufzunehmen. Die Pupillenreaktion passiert sofort, die chemische Veränderung der Rezeptoren direkt danach, etwas später tauscht das Auge dann sogar die Rezeptoren, mit denen es Licht einfängt und verarbeitet.

Photopisches Sehen ist das Sehen mit den Zapfen in der Netzhaut. Diese Rezeptoren melden Farbsignale an das Reizverarbeitungssystem, Rot, Grün und Blau. Der Farbeindruck wird dann aus diesen Einzelsignalen auf der Netzhaut zusammengemischt. Die Reaktionszeit der Zapfen ist kurz, und der Fokus auf Einzelobjekte fällt leicht.

Skotopisches Sehen ist das Sehen mit den Stäbchen in der Netzhaut. Diese sind sehr empfindlich auf geringste Helligkeitsunterschiede, können aber keine Farbinformationen weitergeben. Deshalb sehen wir nachts keine Farben. Die maximale Empfindlichkeit haben die Stäbchen im blaugrünen Spektralbereich. So kann ein blaugrünes Objekt auch bei Dunkelheit noch farbig wirken, während ein rotes Objekt schon längst nur noch als einer von vielen Grauwerten sichtbar ist.

Auch das Reaktionsvermögen und die Geschwindigkeit der Verarbeitung durch die Stäbchen dauern länger.

Mesopisches Sehen ist das Sehen in der Dämmerung, wenn beide Rezeptorenarten beteiligt sind. Hier wird derzeit noch viel geforscht. Gerade für Sicherheitsthemen und Orientierung in der Stadt spielt das mesopische Sehen eine große Rolle.

Warum ist die Dunkeladaptation nun so kostbar?

Weil die Stäbchen, die bei Dunkelheit gut sehen können, so lichtempfindlich sind, werden sie natürlich nur auf Situationen losgelassen, die für sie sicher sind. Sonst wären wir permanent ganz schlimm geblendet. Das heißt, es wird erst die Menge an Licht durch die Pupille begrenzt, und dann noch dadurch, dass die Stäbchen „noch nicht angeschaltet sind“.

Ein Schichtwechsel im Auge

Wenn es dann dunkel wird, findet langsam ein „Schichtwechsel“ zwischen diesen den am Tage vorherrschenden Zapfen und den Stäbchen statt. Die Stäbchen prüfen, ob sie sich „heraustrauen“ können, und Schritt für Schritt werden immer mehr Stäbchen aktiv und ersetzen die Aktivität der Zapfen. Da die Stäbchen sehr vorsichtig sind, dauert es sehr lange.

Anders herum, wenn es hell wird, kann aber sofort eine Anpassung passieren – blitzschnell haben sich die farbsehenden Zapfen wieder vorgedrängelt, die Pupille ist eng und der ganze Anpassungsprozess ist zunichte gemacht. Das ist ungefähr so, als würde man langsam zu einem Tier Vertrauen aufbauen und sich nicht bewegen und plötzlich fällt nebenan ein großer Stock um.

 Schaue deshalb nicht ins Licht

Deshalb ist es so wichtig, nicht in eine Lichtquelle zu schauen, wenn man wirklich die volle Pracht des Sternenhimmels genießen will. Denn es leuchtet ein: mit den Stäbchen, die viel lichtschwächere Kontraste wahrnehmen können, können wir viel mehr Sterne sehen, als wenn wir das „Hellsehen“ auf den Nachthimmel anwenden.

 Sprecht euch in der Gruppe ab

Wichtig ist also, dass du nicht auch nur einmal in eine künstliche Lichtquelle schaust, nicht mal auf das Smartphone, keinesfalls in eine Taschenlampe oder direkt in ein Autolicht. Schütze deshalb deine Augen, wenn du bereits kostbare Dunkeladaptation erworben hast, wenn ein Auto vorbeifährt oder ein Kollege eine Taschenlampe auspackt. Am besten vereinbart man vorher, wie viel Licht man wann einsetzen will.

Wenn es dunkel ist, kannst du am meisten Licht einfangen. Aber zusätzlich kommt noch ein weiterer Aspekt hinzu: der „breite Blick“, den deine Augen bei Dunkelheit erzeugen können. So kannst du die Gesamtheit des Himmels wahrnehmen, alle Sterne „auf einmal“ sehen. Eine sensationelle Erfahrung, die am besten gelingt, wenn man die Augen über 20 Minuten in Ruhe gelassen hat ohne Lichteinfall. 

Warum funktioniert der „breite Blick“ so gut mit den Augen, wenn sie lange an die Dunkelheit gewöhnt sind?

Dunkeladaptierte Augen können nicht mehr so gut einen Punkt fokussieren, sondern sind eher darauf ausgerichtet, am Rande des Blickfelds Kontraständerungen wahrzunehmen. Auch darauf gehe ich im Hörerlebnis ein. Mit der Übung zum peripheren Sehen kann man diese Eigenschaft des Auges bei Dunkelheit intensiv erleben, und dabei sehr gut entspannen.

Hintergrund ist das Phänomen, dass das Auge am Tag in der Mitte des Blickfelds am besten sieht, bei Nacht aber sonderbarerweise nicht.

Bei Dunkelheit kann man gut starren 

Man kann sich also gut merken: bei Dunkelheit kann man gut „starren“, und starren heisst entspannen – zur Wirkung von peripherem Sehen auf die Wahrnehmung und die Verarbeitung im Hirn gibt es zahlreiche Forschungen und Technikanleitungen, insbesondere auch auf den entspannenden Effekt.

Im Hörerlebnis bist du am Ende also vollkommen dunkeladaptiert, du hast umgeschaltet von einem fokussierenden Blick auf einen entspannenden Weitwinkelblick, und du genießt Musik, während du dich weigerst, jemals wieder zurückzufinden zu einem anderen Blickmodus, und du in den Sternen versinkst….

Abgetaucht? Hier geht es zum Trailer…und hier zu den Orten, wo du am meisten Sterne sehen kannst. 

Etta DannemannHintergrund